Sehr geehrter Uli Hoeneß…

Sehr geehrter Herr Hoeneß,

in den letzten Tagen stehen Sie wieder im Mittelpunkt der Berichterstattung. Nicht wegen sportlicher oder wirtschaftlicher Erfolge, sondern wegen Steuerhinterziehung; der einzigen Straftat, für die man hierzulande die Todesstrafe gerne wieder einführen würde.

Bevor ich jedoch darauf eingehe, möchte ich mich zunächst bei Ihnen bedanken. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mein BAföG bezahlen, meine Studiengebühren übernehmen, meinen Eltern vor zwanzig Jahren den Deutschkurs finanzierten und meinen Großeltern die Sozialhilfe ermöglichen. Danke, dass ich für nur 300€ pro Semester das hessische ÖPNV nutzen kann und während meines Freiwilligen Sozialen Jahres im Ausland monatlich „vom Staat“ unterstützt wurde.

Herr Pronold von der bayrischen SPD bezeichnet ihre Tat  als schlimmste Form asozialen Verhaltens. Ja, sie mögen gegen das Gesetz verstoßen haben, dagegen kann ich Sie nicht verteidigen, denn ich bin kein Anwalt. Was ich aber tun kann, ist das Gesetz zu hinterfragen und Ihre moralische Integrität zu verteidigen.

Pronold sieht in ihrem unversteuerten Geld die „schlimmste Form asozialen Verhaltens“. Nicht etwa das Verhalten zahlloser U-Bahn-Schläger, die von der Polizei nicht verhindert werden (die Sie übrigens bezahlen), die wiederrum von Herrn Pronold und seinen Politikerkollegen (die Sie ebenfalls bezahlen) nicht genug Mittel erhält. An Steuergeld mangelt es diesem Land nicht. Was fehlt, ist dessen intelligente Verwendung.

Wer ist überhaupt diese politische Klasse, die Ihnen nun Gier vorwirft, Ihre sozialen „Gebärden“ ins Lächerliche zieht und über Gerechtigkeit schwafelt? Florian Pronold hat im Jahre 2002 sein zweites Staatsexamen abgeschlossen, ebenfalls seit 2002 ist er Mitglied des Bundestages. Seine Leistung für das Land, um das er ihretwegen so besorgt ist, lässt sich nicht einmal ansatzweise mit dem vergleichen, was Sie bereits an Steuern gezahlt haben.

Nicht nur, dass Sie seit 1970 zu den Besserverdienern gehören, die zu einem überwältigenden Großteil die Steuerlast dieses Landes tragen. Herr Pronold könnte ja einmal ausrechnen, wie viel Steuergeld Sie generiert haben und weiterhin generieren, in dem Sie den FC Bayern fast im Alleingang zu einem riesigen Unternehmen gemacht und nebenbei eine erfolgreiche (und natürlich ebenfalls riesige Steuersummen zahlende) Lebensmittelfirma aufbauten.

Nun kann man sagen, dass die Politiker andere Aufgaben haben. Ebenso wie Sie sorgen sie – nur eben auf eine andere Art – für das Funktionieren unseres Landes. Ich weiß nicht, wie Sie es sehen, aber von „Funktionieren“ kann keine Rede sein. Natürlich geht es Deutschland besser, als Simbabwe. Aber uns geht es nicht ansatzweise so gut, wie es uns gehen könnte. Und die Hauptschuld trägt die politische Klasse, die alles dafür tut, Leistungsträger aus Deutschland zu vertreiben, keine ausländischen Leistungsträger ins Land zu holen und stattdessen selbst immer fetter und gieriger wird.

Die Gier, die man Ihnen nun vorwirft, ist das altbekannte i-Tüpfelchen verlogener Argumentation. Sie sollen lediglich behalten, was Sie auch erwirtschaften. Ganz im Gegensatz zur Politik, die trotz sprudelnder Einnahmen nicht ans Sparen denkt und auf dreisteste Art und Weise Geld in den Sand setzt.

Natürlich argumentieren moralinsaure Politiker nun mit Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten, die ohne Ihr Geld nicht existieren können. Warum sprechen sie nicht (halb-)staatliche Großprojekte an, die uns Milliarden kosten, die ebenfalls in Soziales und Bildung investiert werden könnten? Warum erwähnen sie die absurden Summen an, die aus Deutschland in Banken- und Staatsrettungen fließen? Die Existenz der riesigen politischen Klasse dieses Landes ist ein einziger Selbstzweck; ihr Regieren ist nichts als Selbsterhaltung. Sie verwalten, was sich selbst verwalten kann und helfen denen, die sich selbst helfen können. Und das tun sie mit Ihrem Geld, von dem sie einen ordentlichen Teil in ihre Gehälter stecken. Von diesen Leuten müssen Sie sich den Vorwurf der Gier nicht gefallen lassen.

Sie sind ein erfolgreicher Unternehmer und Manager, der Staat lediglich ineffizienter Umverteiler. Ich kann mir vorstellen, mit welchem Gefühl Sie Politikern begegnen, die unsere Wirtschaft nach jedem Grundsatz außer der Wirtschaftlichkeit gestalten wollen.

Auch die Medien unseres Landes freuen sich über den Ihren „Fall“. Sie sehen einen Widerspruch zwischen Ihrem sozialen Engagement und der Steuerhinterziehung. Dabei ist das genau das Modell, nach dem ich leben möchte. Spenden, Investitionen in Kultur und Wirtschaft sind absolute Privatangelegenheiten. Dass Sie sich lieber selbstständig in einer Stiftung engagieren, anstatt mit (noch mehr) Steuergeld ungefragt Theater, Museen und Opern zu finanzieren, halte ich für alles andere als unlogisch.

Sehr geehrter Herr Hoeneß.  Man wird Ihnen noch oft vorhalten, Sie – als Reicher – müssten der Gesellschaft doch etwas  zurückgeben. Dabei haben Sie ihr nichts genommen. Nicht nur finanziell ist Deutschland ohne Sie schlechter dran, als ohne die absolute Mehrheit aller Politiker. Ich bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine stehe.

Herzliche Grüße.

Über filipppiatov

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34 Antworten zu Sehr geehrter Uli Hoeneß…

  1. almo schreibt:

    schon lange nicht mehr so viel aneinandergereihte einfältige polemik am stück gelesen.

  2. Richard Wagner schreibt:

    Die „Elite“ kann sich also gesetztloses Verhalten erlauben während eine Bäckereiangestellte wegen 1€ gekündigt wird… Aber stimmt, eine Bäckereiangestellte hat ja noch nicht do viele Steuern bezahlt wie elitärer Hoeneß. Chapeau für diesen moralisch tiefgründigen Beitrag!!

  3. Micha schreibt:

    Eigentlich geht es doch gar nicht darum, dass Hoeneß mehr Steuern zahlt als andere oder nicht – er hat eben auch die entsprechenden Einnahmen – und es geht hier ja anscheinend um Kapitalgewinne, die ohnehin bereits pauschal und im Schnitt geringer besteuert werden als Einkommen aus Arbeit. Hoeneß hat gegen Gesetze verstoßen und das anscheinend in nicht unbeträchtlichem Maß, während er öffentlich den Saubermann gegeben hat. Natürlich ist das nicht in Ordnung. Die Berichterstattung und auch die Versuche von Politikern, aus der Sache zu profitieren muss er nun aushalten, schließlich hat er in der Vergangenheit auch genügend ausgeteilt (man erinnere sich nur mal an den Fall Daum) und hat sich selbst in diese Lage gebracht.

    Und mal ehrlich – ohne die Investitionen und Subventionen in der Sportförderung und die Berichterstattung (gerade auch der öffentlich-rechtlichen) Medien wäre Uli Hoeneß wohl kaum derart erfolgreich geworden und würde wahrscheinlich mittlerweile mit einer Metzgerei in Ulm eher schlecht als recht über die Runden kommen – er hat also bereits deutlich davon profitiert, dass andere ihre Steuern seinerzeit bezahlt und nicht einfach hinterzogen haben.

  4. j schreibt:

    Das war vermutlich das Dümmste was ich seit „Mein Kampf“ gelesen habe.

  5. urmel1907 schreibt:

    Bravo! Sehr guter Kommentar!

  6. Pedi schreibt:

    Selten so was dummes gelesen…

  7. Roland schreibt:

    Selten so einen Unsinn gelesen! Wo kommen wir hin, wenn jeder für sich selbst entscheiden kann von welchem Teil seiner Einkünfte er Steuern bezahlt und von welchem nicht? Straftat ist Strafttat!

    • Jo schreibt:

      Warum nicht an den Menschenverstand appelieren? Jedenfalls besser als das Gefühl zu haben bestohlen zu werden. Solange Menschen in Deutschland das Gefühl haben, dass mit ihrem sauer verdienten Geld (egal ob viel oder wenig) nur Blödsinn gemacht wird, wird es auch Steuerhinterziehung geben. Deren Strafbarkeit sollte man im Übrigen nochmal überdenken. Ich fühle mich z.B. durch Raser und Drängler auf den Straßen eher bedroht als durch Herrn Hoeneß.

  8. tobi.obermeier@web.de schreibt:

    guter Eintrag. aber eines würde ich noch gerne hinzufügen. Ich finde es lächerlich, dass sich jetzt vor allem einige Politiker darauf stürzen, die nur nebenbei erwähnt zu den größten Betrügern und Heuchlern dieses Landes überhaupt gehören. Sie benutzen den Fall Hoeneß um Ihren Wahlkampf anzutreiben. Das kommt Ihnen ja genau recht.
    Den Politikern geht es ja schon lange nicht mehr um den Inhalt Ihrer Themen, sondern es geht Ihnen lediglich nur noch um die Show. Volksverdummung.
    Das was Herr Hoeneß gemacht war nicht korrekt, aber deshalb so ein Fass auf zu machen. Es geht hierbei vielleicht um 50000 Euro die der gute Mann hinterzogen hat. Darüber wird jetzt gestritten, aber was ist mit den Mrd, die die Politiker jährlich zum Fenster rausschmeißen (siehe Rettungsschirm etc.)? Und wer zahlt diesen Mist? Der Sparer/Bürger. Nach und nach wird uns dieses Geld enteignet und wir merken es nicht mal richtig. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit? Wo ist da die Moral?

  9. Gutartiges Geschwulst schreibt:

    Vielen Dank, filipppiatov, für Ihren lesenswerten Beitrag.
    Zur Affäre selbst: Kleine Probleme beschäftigen kleine Gehirne!
    Solange Steuerverschwendung nicht strafbar ist, halte ich Steuerhinterziehung für einen Fliegenfurz, für Getöse um nichts.

    • Sebastian schreibt:

      Ein allgemeiner Satz, der es auf den Punkt bringt. Bewertungen oder gar Verurteilungen eines konkreten Sachverhaltes sind Sache der Richter, die „im Namen des Volkes“ zu einem Urteil legitimiert sind. Und wer hier gleich Propagandageschütze à la „mein Kampf“ auffährt, sollte einfach mal ein bisschen Ruhe bewahren, das hat noch niemandem geschadet…

  10. Uhupardo schreibt:

    Grosse Klasse! Wir hatten schon vor drei Tagen gefordert: „Finger weg von Ulrich Hoeness!“

    Finger weg von Ulrich Hoeness!

  11. Jörg HH schreibt:

    Bundespräsi bekommt 200.000,– € im Jahr.
    Hamburgs Konzerthaus kostet nach letzter Einschätzung 800.000.000,– €.
    Hamburg leistet sich 5 Bürgermeister AD.
    Einnahmeprobleme von Steuern ? Nicht in Deutschland, wir haben ein Ausgabeproblem.
    Und bei all den Verschwendungen nimmt sich jeder etwas vom Kuchen. Wer hat noch nicht die Nachbarschaftshilfe an der Steuer vorbei entlohnt ? Steuererklärung / Arbeitszimmer / Verpflegungsmehraufwand immer ehrlich angegeben ? Halbe Stunde früher Feierabend und Cheff hat voll bezahlt ? Ob Doktor- oder Klassenarbeit, wer hat noch nicht in der Schule betrogen und sich eine bessere Note ergaunert ? Bei all den Gesetztesverstößen aus früherer und heutiger Zeit hätte ich genaugenommen keinen Schulabschluss, hätte in Flensburg ein 4 stelliges Punktekonto,
    müsste meinen Kunden mehrere 1000 de € aufgrund von „Zuvielberechnungen“ zurück erstatten und so weiter und so weiter.
    Ich lebe lieber weiter in dieser Grauzone und nehme mir meinen moralischen Anteil gegenüber dem Staat. Ich wollte kein Dosenpfand, Nichtraucherkneipen, Soli – Zuschlag und Mautgebühren.

  12. Rainer David W. Früh schreibt:

    @j:
    Ich glaube, Sie wären auch besser bei „Mein Kampf“ geblieben……

  13. Lachtränen schreibt:

    Liberal war schon immer ein Aushängeschild für Kriminelle, Graf Lambsdorff lässt grüßen.

  14. Bayernbazi schreibt:

    Die (ernstzunehmende) Kritik an Hoeneß entzündet sich nicht an seinem Reichtum, sondern an seinem jahrzehntelangen pseudomoralischen und staatstragenden Gesülze. Wiedermal failed, Herr Piatov.

    Wenn es gilt, auf die schwächsten Argumente der Kritik einzugehen, sind Sie Spitze. Eben ein ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft.^^

    • filipppiatov schreibt:

      Dann seien Sie bitte so nett und schreiben eine kurze Zusammenfassung Ihrer eigentlichen Kritik. Polemische Äußerungen von Hoeneß kamen mir nämlich nicht vor, wie die stärksten Argumente gegen ihn. Das sind nämlich in der Tat nur „Gebärden“ und ich beschäftige mich lieber mit Konkretem.
      Grüße

      • Bayernbazi schreibt:

        Die Steuerhinterziehung war dann wohl auch nur eine Form der Polemik. Sie machen sich lächerlich. Vllt können Sie damit bei ein paar dummdreisten Bayernfans punkten.

  15. filipppiatov schreibt:

    Die Steuerhinterziehung war eine Straftat, deren moralische Verwerflichkeit ich bestreite. Argumentieren Sie bitte mal.

    • Bayernbazi schreibt:

      „… deren moralische Verwerflichkeit ich bestreite.“

      Die Steuerhinterziehung ist mir sch***egal. Dass dieser Mensch sich über Jahrzehnte als Moralapostel geriert hat – das ist der Skandal. Und dafür wandert er gefälligst in den Bau, Ihr geehrter Herr Hoeneß.

  16. Bertram schreibt:

    Ich finde den Kommentar gut. Klar war das nicht richtig, was Hoeness gemacht hat,aber der Kommentar zeigt auch eine andere Sichtweise und das ist gut so. Denn Steuerhinterziehung ist nicht gleich Steuerhinterziehung, Da muss man schon bei jedem einzelnen Fall ins Detail gehen.

  17. DURCHBLICK schreibt:

    @bayernbazi:
    wie bitte? die steuerhinterziehung ist dir „sch***egal“, aber er soll gefälligst für sein moral-apostel-getue in den knast?? bei dir hakts doch gewaltig, oder?! bitte geh schnellstens zum arzt!

  18. Lasten Esel schreibt:

    Das Problem bei der Gehirnwäsche ist, dass das Herz gleich mit rausgewaschen wird.
    Jeder der Uli Hoeneß hängen sehen will ist längst schon tot.
    Reisst Euch doch mal zusammen, merkt ihr nicht, dass man euch gegeneinander ausspielt ?

  19. Lutz Adam schreibt:

    Das einzige was ich Uli nicht verzeihe ist der Elfmeter 1976, alles andere geht für mich OK.
    Da heult der Deutsche Fiskus Geldern hinterher, die er hätte ausgeben können um etwa bei Stuttgart 21 oder Berlin Airport besser dastehen zu können vor dem Deutschen Steuerzahler ?
    Das Uli Höness seit Jahren die Unterschicht durch Stiftungen und Aktionen unterstützt wird nun all zu gern unter den Tisch gekehrt. Wer ohne Schuld, der werfe den ersten Stein (hab ich mal wo gelesen) und so sollte es auch sein. Liebe Leute die ihr nun auf Uli steigt und ihn verurteilt, fasst euch bitte mal an die eigene Nase.

  20. Andreas Wiedow schreibt:

    Wer die Regeln kennt, darf/kann sie brechen. Fortschritt (Im Fall Hoeneß Befeuerung einer überfälligen politischen Steuerdebatte) passiert, wenn man Grenzen überschreitet und sich in das Land bewegt . . . urbi sunt leones.

    Ich habe in seinem vielfach zitierten Beitrag „zu hohe Steuern für Reiche“ und der jetzigen Situation KEINEN Widerspruch gesehen. @ all . . . mal um die Ecke denken ?

    Danke für diesen Beitrag 🙂

  21. Bayernbazi schreibt:

    Der Vollständigkeit halber noch dieser geniale Artikel von Richard Herzinger aus der WELT:

    http://www.welt.de/debatte/article115650323/Hoeness-und-der-selbstgerechte-deutsche-Volksgeist.html

  22. This here for the money homeboy
    Money money money train ……
    It’s like we evolve till we fall
    And we done fall till we evolve

    Es geht ums Geld, Keule
    Geld Geld Geld Geld und Du wirst uns nicht aufhalten!
    Als entstünden wir, um zu fallen
    Wir fallen bis zur Wiedergeburt

    We Gangsta. Birdman.

    Vor zwei Wochen bot DIE ZEIT sich als Verteidigungsraum für Uli Hoeneß. Diese Wochenzeitung, von der wirtschaftlich-intellektuellen Oberschicht deutschsprachiger Länder gelesen, ermöglichte es Hoeneß, sich zum Opfer zu stilisieren. So prangte auf der Titelseite von Ausgabe 2013/19 ein Schulkind-steht-in-der-Ecke-Satz in rosa Schrift vor Hoeneß‘ schwarzweißem Konterfei: „Ich gehöre nicht mehr dazu.“

    Warum sagt er das? Weshalb gibt ein starker Mann wie Hoeneß das Opfer? Soll durch diese Verharmlosung der eigenen Persönlichkeit etwa Einsicht vorgetäuscht werden?

    Doch ob Ulrich Hoeneß, geb. am 05.01.1952 in Ulm, Bayern, Deutschland, Einsicht zeigt oder nicht, ist gar nicht entscheidend – denn Einsicht ist ein altes Wort, auf dem ganz viel Staub liegt.

    Deshalb nehme ich mich zurück: Denn niemand weiß, ob Ulrich Hoeneß Einsicht zeigte oder nicht, ob er sie zeigt oder (Totschlagargument pro Hoeneß:) ob er sie gezeigt haben wird.

    In jedem Falle ist Uli Hoeneß ein Prototyp der Gier: Ein Mensch, der zu viel Geld kam und damit nicht rational umzugehen wusste. Begann zu zocken, wurde bald süchtig danach und während dieser Börsensucht wuchs seine Gier dergestalt heran, dass Ulrich irgendwann die Luft ausging und er, von Eroberungstrieben und dem faden Schein seines Bildschirms, der seine Gewinne in einem automatisierten Prozedere minütlich aktualisierte, vom Drehstuhl aus Mahagoniholzfüßen und Nappalederbepolsterung fiel. Ulrich Hoeneß fiel und gerne hätte ich mir seinen Drehstuhl unter den Nagel gerissen.

    Hätte ich mir Ulrich Hoeneß‘ Drehstuhl ohne zu fragen genommen, wären Schwierigkeiten auf mich zugekommen. Mal angenommen, Hoeneß ist einer dieser kleinlichen Prototypen, die den Verlust eines Drehstuhls genauso ernst nehmen wie den Verlust selbstverdienten Geldes durch das Zahlen von Steuern – ich hätte mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

    Denn damit ich den wertvollen Stuhl aus Mahagonilehnen, Teakholzbeinen und Nappalederbepolsterung BEHALTEN kann, darf ich ihn dem, dem er zusteht, nicht ZURÜCKGEBEN. Das ärgert Hoeneß natürlich. Mit zusammengezogenen Augenbrauen nimmt er, ersatzweise auf einem Stuhl aus Holz, mit einfacher, kleinbürgerlicher Bepolsterung, Platz.

    Klaro Ulrich, Du bist, völlig zurecht, sauer über den Verlust Deines Stuhls, Deshalb wendest Du Dich an die örtliche Polizeidienststelle, um die Straftat anzuzeigen. Auf dem Weg zur örtlichen Polizeidienststelle ärgerst Du Dich auf stille Art. Die Wut in Dir erkennt man am besten, wenn man den Öffnungsradius Deiner Augen über einen Zeitraum von 10-12 Sekunden lang beobachtet. Da tobt der Konflikt. Doch Du würdest in der Öffentlichkeit nicht auf den Tisch hauen, Prototyp.

    NEIN: Zum Kämpfen wurdest Du gemacht, Prototyp! Denk an die Medien, Deine Stärke. Denk an die Ausrutscher, Uli. Du bist kein Klischee. Du darfst ausflippen. Denn Du bist wie Ackermann und so volkstümlich wie die Abkürzung von Joseph zu Joe, Ulrich zu Uli. Denn Du bist wie Finchen. Wie Clay Davis in THE WIRE.

    Denn Du bist gar kein Prototyp. Du bist nicht einmal ein Typ oder Typus. Denn wie „hast“ Du Charakter, wenn Du bist wie Joe, Jürgen und Clay?

    Sicherlich seid ihr gravierend individualistisch, doch das Volk hört Euren Namen im Zusammenhang mit Straftaten und wer davon in BILD liest, wird zum Relativieren der Aussagen über Euch nicht gerade ermutigt. Deshalb, was bedauerlich ist, unterliegt Eure Individualität Eurem Hauptantrieb: Dem Vermehren des eigenen Reichtums. Eure Kontoauszüge sind Eure Ausweise geworden – die unterscheiden sich voneinander.

    Es ermangelt Euch also an Ungewöhnlichkeit.

    [Die breite Masse des Breis aus Prototypen ist auf Yachten, die sich nicht mehr optisch, sondern nur um Millionenbeträge unterscheiden, in der Bucht der Gleichschaltung unterwegs. Perlenketten. Terrier. Silikon. Barely Legal. Die ewige Zarenhörigkeit der Russen.
    Lifting und Botox = LACHE IMMER RICHTIG, SONST BRICHT DAS BOTOX AUF = Randgruppe.
    Playboys. Mädchen. Millieu. Das Ghetto der anderen Seite. Eingesperrt vom Geld. Keinen anderen hereinlassen, sie könnten es mir wegnehmen. Willst Du mir etwas wegnehmen aus dem Ghetto der anderen Seite? Gibt es Ghettos in Köpfen, wo das Geld regiert? Und warum kommt mir keiner zu Hilfe – Ich habe Ihnen gegeben und sie bezahlt; doch wie Stringer Bell in THE WIRE gab ich keine Liebe ab, sondern Geld. Das daraus entstandene Sicherheitsgefühl war käuflich, deshalb kaufte ich es, ohne zu hinterfragen, ob ich im Gegenzug echte Loyalität zurückerhalten werde oder nicht. Ich erhielt sie nicht. Ich verlor mein Vermögen. Doch DU wirst mich nicht ficken, denn

    If you a hustla, you gonna get dough
    And that’s how it goes

    Wenn Du wer sein willst, machst Du Patte
    So läuft das

    Kannst Du mich fühlen? Fühlst Du mich? Kriegst Du das gebacken, Keule? Ich bin wie Hoeneß. Ich bin wie Birdman. Ich bin wie Ulm. Ich bin wie Ghetto. Wie das erfundene Ghetto.

    Ulrich, die Geschichte Deiner Enttarnung ist urtypisch für ein System, in dem Menschen mit viel Geld gesetzesfern denken, planen und vor-gehen, um ihren Wohlstand zu vergrößern.

    Einen Teil der hinterzogenen Steuern dann für wohltätig-caritative Zwecke zu spenden, erinnert an Al Capones PR-Events in den1930er- und 1940er Jahren, bei denen Capone Essen an Menschenmengen verteilte, um die Sympathien der Bevölkerung zu erlangen. Aus Gier und Durchtriebenheit machen Menschen wie Du eine Win-Win-Situation: Lass mich in Ruhe Öfffentlichkeit, dafür gebe ich Dir etwas ab. Doch wieviele ich gebe, entscheide ich. Nicht der Staat. Keine Steuern.

    Zugegeben, an Sympathie ermangelte (und ermangelt) es Uli nicht.
    Sympathie: Doch was wäre, Urlich, wenn Du nicht für DEN deutschen Fußballclub, sondern eine BANK tätig wärst? Würden sie Dir immer noch den Rücken decken? Oder wärst Du dann bloß ein raffgieriger Kapitalist, einer von denen, die uns aus den Glasschlössern beherrschen? GLAS: IDEEN: STURM.

    Die Gier haftet an Dir wie DNA-Strukturen. Du bist deshalb universell, Uli. Natürlich haben nicht wenige, von denen viele es wahrscheinlich nicht wissen, sondern nur spüren, Dich zur unerreichbaren Vaterfigur verkitscht. (Empathie hat oftmals Undifferenziertheit zur Folge, weshalb die Debatte um Dich nicht selten von Polemik und einem Mangel an Abwägung beherrscht ist.)
    Und die Gier des Vaters ist seine Schwäche. Es fällt, demzufolge, nicht weiter schwer, Empathie für die Schwäche des Vaters zu entwickeln.

    Doch das sehe ich anders. Ich sehe Hoeneß als Radikalen. Als radikalen Egozentriker und somit als einen von uns. Nur in anderen Dimensionen. Was ist radikaler? Einen Stein zu schmeißen und damit einen Sachschaden von Tausend Euro zu verursachen oder Millionen zurückzubehalten, die tatsächlich und real zur Weiterführung unseres vorbildlichen Sozialsystems verwendet werden könnten?

    Du bist wie wir, Uli, wir sind wie Du. Fast wäre ich versucht, lautstark OLE!!! zu brüllen. Dabei die Zähne zu fletschen, mich wieder zu beruhigen und darum zu bittten, dass der Steinschmeißer sich selbst anzeigen darf. Doch das will ich nicht, Ich will nicht, dass Steine auf Dinge geschmissen werden. Denn die Dinge könnten von Ulrich Hoeneß‘ Steuergeldern bezahlt worden sein.

    DAZU schreibt Klarlicht: „Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mein BAföG bezahlen, meine Studiengebühren übernehmen, meinen Eltern vor zwanzig Jahren den Deutschkurs finanzierten und meinen Großeltern die Sozialhilfe ermöglichen. Danke, dass ich für nur 300€ pro Semester das hessische ÖPNV nutzen kann und während meines Freiwilligen Sozialen Jahres im Ausland monatlich „vom Staat“ unterstützt wurde.“

    Okey, dokey. Folge ich Klarlichts Argumentation, so ist Hoeneß eine Metapher für das wirtschaftlich stark aufgestellte Deutschland, ein Anpacker, Macher, Stratege, dank dessen wir gnädigerweise einen Sozialstaat haben?

    Pardon: Das klingt für mich nach Unterwerfung. Ulrich Hoeneß interessiert sich dafür nicht. Als säße er abends mit gutmütigem Blick zu Tische, die Hände gefaltet, den Abend des Schlichten genießend.

    Nope. Ulrich Hoeneß ist nicht durch Gutmütigkeit dahin gekommen, wo er ist. Oder denkst Du, er hat darum gebeten, Präsident des weltbekanntesten Fußballvereinszu werden? Think about it: Der Vater Fleischermeister, hat Uli sich in Dimensionen entwickelt, die die Eltern niemals gekannt hatten. Das geht doch nicht spurlos an Dir vorbei: Da verlierst Du an Bodenhaftung. Und hämmerst die Ellenbogen nach links und rechts, um Dich bei anderen einzuhacken und dann, wenn Du wieder gerade zu stehen vermagst, die anderen zur Seite derangierst.

    Ulrich Hoeneß geht niemals unter. Nicht in dieser Welt, nicht in diesem System: Er nährt es und es nährt ihn. Über Verhältnismäßigkeiten werden wir aber nicht sprechen. Wir leben in einer von Hierarchien abhängenden Gesellschaft. Die Hierarchie gebietet Respekt und Respekt gebietet einen gewählten Umgang mit Sprache, weshalb die etablierten Zeitungen Ulrich Hoeneß lieber „Uli“ als Gangster nennen.

    Warum? Ulrich Hoeneß hat Millionen an Euros illegal einbehalten, obwohl er sie hätte zahlen müssen. Das macht Ulrich Hoeneß zum Gangster. Ich werde dieses Thema auch ganz bestmmit nicht dialektisch angehen oder mich ins geisteswissenschaftliche Dickicht aus Meinungen begeben, denn Hoeneß war und ist kmein Philosoph, sondern ein nach Profitmaximierung denkender und handelnder Geschäftemacher. Und bei Geschäften gibt es nur A oder B, nur richtig und falsch. Ich gehe nicht zu REWE und nehem mir an der Kasse die Freiheit, mit der Kassiererin über die Höhe der Mehrwertsteuer, die gegenwärtige Inflation zu diskutieren. An der Kasse im Supermarkt muss ich bezahlen. Beim Finanzamt muss ich Steuern bezahlen.

    „Und wie geht es Hoeneß?“

    „Ihm geht es gut. Er muss sich keine Sorgen um das Zahlen der Rechnungen des Alltags zu machen.Er hat viel zu tun, trifft blitzgescheite Menschen, denen er viel Geld gibt, damit sie sein angekratzes Image aufpolieren. Gleichzeitig muss er die anderen Prototypen der Gier treffen, denn nun sind alle in Unruhe und keiner kann bestimmen, wie es weitergeht. Das trifft den Hoeneß wahrscheinlich am meisten: Einmal nicht wie sonst die volle Kontrolle zu haben. Das wiegt schwerer als Nebensächlichkeiten wie Geld.“

    Lies den Artikel mit Bildern und Songverlinkung auf http://www.maxneu.de

  23. Richtigstellung von Max Neu zu seinem Kommentar vom 16.05.2013: Ulrich Hoeneß wurde in Badem-Württemberg, und nicht in Bayern geboren.

  24. Pingback: Der lange Schatten des Fleischersohns Ulrich Hoeneß › maxneu.de

  25. My Guitar wants to kill yo' Mama schreibt:

    Dieser Text war vor einem Jahr schon lächerlich und ist es heute mindestens genauso. Mit dieser Art von beliebiger Individualmoral, die Sie hier an den Tag legen, kann man sich das Leben und die Welt sehr einfach machen – sie zeugt aber nicht unbedingt von besonderen geistigen Fähigkeiten.
    Lieber weniger Ayn Rand lesen und mehr die eigene Birne anstrengen.

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